Nach Stopp von Plänen für "grünen" Stahl: Scharfe Kritik an ArcelorMittal
Der vom Stahlkonzern ArcelorMittal verkündete Stopp von Plänen für umweltfreundlich produzierten Stahl in Werken in Bremen und Eisenhüttenstadt in Brandenburg hat scharfe Kritik hervorgerufen. "Diese Entscheidung ist strategisch kurzsichtig, unternehmerisch falsch und mit Blick auf die Beschäftigten wie auch auf die gesamtgesellschaftlichen Folgen in höchstem Maße unverantwortlich", erklärte der zweite Vorsitzende der Industriegewerkschaft Metall, Jürgen Kerner, am Freitag. Das Bundeswirtschaftsministerium erklärte, es bedauere die Entscheidung.
Gewerkschafter Kerner sprach von "kleingeistigem Taktieren". "Die Beschäftigten haben sich auf diesen Weg eingelassen, die Politik stellt Förderungen in Milliardenhöhe bereit und bewegt sich jetzt endlich auch beim Strompreis in die richtige Richtung", fuhr er fort. "Die einzigen, die die Nerven verlieren und wackeln, sind die Manager von ArcelorMittal."
Der Betriebsrat des Bremer Werks sagte nach Angaben der IG Metall Bremen für Dienstag geplante Betriebsversammlungen ab. Stattdessen sei die Belegschaft zu einer Kundgebung aufgerufen, zu der sich Bremens Bürgermeister Andreas Bovenschulte (SPD) als Gastredner angekündigt habe. "Die IG Metall Bremen und die IG-Metall-Betriebsräte werten diese Entwicklung als ernsthafte Bedrohung der Zukunft des Bremer Werkes", erklärten sie. In der Belegschaft sei die "Verunsicherung und Empörung" groß.
Am Donnerstag hatte ArcelorMittal bekanntgegeben, dass es seine Pläne zur Dekarbonisierung der beiden Flachstahlwerke "leider nicht weiterverfolgen" könne. Grund seien die Marktsituation und die fehlende Wirtschaftlichkeit einer CO2-reduzierten Stahlproduktion.
Die Ampel-Regierung hatte 2024 Fördergelder in Milliardenhöhe für die industrielle Transformation in Deutschland bereitgestellt - darunter für die Umstellung von Produktionsprozessen auf neue Energieträger. ArcelorMittal sollte für die Standorte Bremen und Eisenhüttenstadt 1,3 Milliarden Euro Fördergeld bekommen. Insgesamt sollte das Gesamtprojekt 2,5 Milliarden Euro kosten.
Dafür sollten Elektrolichtbögen gebaut werden, die mit erneuerbarem Strom und einem erhöhten Einsatz von Recyclingschrott Stahl produzieren. In Bremen sollte zudem eine Direktreduktionsanlage entstehen, in der aus Eisenerz zunächst mit Erdgas und langfristig mit grünem Wasserstoff ein Stahl-Vorprodukt hergestellt wird. Grüner Wasserstoff wird mit erneuerbaren Energien hergestellt.
"Wir bedauern natürlich, dass ArcelorMittal entschieden hat, das Projekt nicht weiter zu verfolgen", sagte eine Sprecherin des Bundeswirtschaftsministeriums in Berlin. Wichtig sei, "dass noch keine Gelder geflossen sind", fuhr sie fort. "Es wurde kein Geld abgerufen, dementsprechend muss auch nichts zurückgefordert werden und die Förderung wird dann auch damit widerrufen."
Es gebe "noch drei weitere große Dekarbonisierungsprojekte", deren Umsetzung bereits laufe. "Die Entscheidung von Arcelor betrachten wir derzeit als Einzelfall auch vor dem Hintergrund der Konzernstruktur", sagte die Ministeriumssprecherin weiter.
"Die Frage, ob es gelingt, die Grundstoffindustrie in Deutschland zu halten, entscheidet darüber, ob Deutschland perspektivisch ein wohlhabendes, sozial ausbalanciertes Industrieland bleibt", erklärte IG-Vize Kerner. Er forderte, die Bundesregierung müsse "jetzt umgehend einen Krisengipfel für die Stahlindustrie einberufen". "Es ist inakzeptabel, dass Frankreich durch einen politisch subventionierten Industriestrom Fakten schafft, während Deutschland umständlich nach europakonformen Lösungen sucht", erklärte er.
Deutschland brauche eine "nationale Stahlstrategie, die Industriepolitik, Klimaschutz und Beschäftigung zusammendenkt", forderte Linken-Chefin Ines Schwerdtner. Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) sei "gefordert, die Zukunft der Stahlindustrie endlich zur Chefsache zu machen, internationalen Konzernen ihre Grenzen aufzeigen und die öffentliche Kontrolle des Stahlsektors ausbauen".
Die AfD-Fraktion im Brandenburger Landtag rief zu einem Kurswechsel für den Standort Eisenhüttenstadt auf. "Die Entscheidung der Geschäftsleitung von ArcelorMittal ist folgerichtig und beispielgebend", erklärte der wirtschaftspolitischer Sprecher der Fraktion, Steffen John. Die "planmäßige Dekarbonisierung energieintensiver Unternehmen" setze die Wirtschaft des Bundeslandes unter Druck und "schadet der internationalen Wettbewerbsfähigkeit".
E.Franke--VZ